News 23.12.2016, 11:58 Uhr

Apple kauft NeXT: die wichtigste Übernahme der Tech-Industrie

Am 20. Dezember 1996 kaufte Apple NeXT. Ohne diese Übernahme hätte es das iPhone kaum gegeben – ebenso wenig den iPod oder das MacBook Pro.
Am 20. Dezember vor 20 Jahren fand die wohl wichtigste Tech-Übernahme, ja einer der wichtigsten Business-Deals überhaupt, statt: Apple kaufte NeXT. Ohne diesen Schritt würde es heute vermutlich weder iPhones noch iPads geben, Macs würden auf Regalen schrulliger Sammler verstauben und Apple wäre mit Sicherheit nicht die wertvollste Firma der Welt, sondern würde wohl in einem Atemzug mit Nokia oder Kodak genannt als Firma, das die Zeichen der Zeit verkannt hat. Aber eben, vor 20 Jahren kaufte Apple NeXT und die Geschichte ist eine ganz andere. Es ist die Geschichte fehlender Puzzlestücke, die zeigen, wie wenige Variablen den Unterschied zwischen riesigem Erfolg und grosser Enttäuschung ausmachen können.
Einerseits kaufte sich Apple mit Next eine Software, die Grundlage für OS X und iOS war und noch heute Bestandteil von macOS ist. Andererseits holte sich Apple den einst wegen Inkompetenz geschassten Gründer zurück, der zum Messias für das Unternehmen und die gesamte Industrie werden sollte. Aber von Beginn weg:

Die NeXT-Story

20. Dezember 1996: Selten hatte eine Übernahme derart grosse Auswirkungen wie diejenige von NeXT durch Apple (Bild: MacPrime)
Gemeinsam mit Kumpels baute Jobs Mitte der 1970er-Jahre in seiner Garage den ersten PC der Welt, lange vor den Branchengrössen IBM, Intel oder Microsoft. Es folgten der Börsengang sowie die Lancierung des Macs und Jobs erreichte in der Branche Kultstatus. Doch der anfängliche Erfolg ebbte Mitte der 1980er-Jahre ab und nachdem Steve Jobs einen Machtkampf gegen den von ihm eingestellten ehemaligen Pepsi-Manager John Sculley verlor, verliess er 1985 sein Unternehmen.
Dabei schien er eine Menge verletzten Stolz und Rachegedanken mitgenommen zu haben, denn sein Ziel fortan war klar: Einen besseren Computer als den Mac zu bauen und den Apple-Verantwortlichen zu zeigen, dass sie einen schweren Fehler begangen hatten. Seine neue Firma nannte er deshalb NeXT, eine Anspielung auf den Wunsch Jobs, noch einmal etwas wie den Mac schaffen zu können. In den Anfangsjahren wusste niemand, ob das gelingt. Denn ausser dem Versprechen, im Frühjahr 1987 mit einem eigenen Computer am Markt zu sein, erfuhr die Öffentlichkeit praktisch nichts über NeXT. Mittlerweile ist klar: NeXT war vor allem eine Geldvernichtungsmaschine. Der Detailfanatiker Jobs wollte alles kontrollieren und alleine finanzieren und so kam die Firma nirgends hin, beim ursprünglichen Vorstellungstermin des PCs hatte man als einziges Produkt einen verstellbaren Monitorsockel vorzuweisen.
Der NeXTcube war innen und aussen einzigartig. Nur erfolgreich war er nicht (Bild: MacPrime)
Gleichzeitig ging es bei Apple wieder aufwärts, der Macintosh hatte die Revolution des Desktop Publishing ausgelöst. Auf einmal war es möglich, aufwendig gestaltete Zeitschriften und Broschüren am Computer zu erstellen. Der zurückgekehrte Erfolg bei Apple liess den Druck auf NeXT wachsen: Der erste Computer musste eine Sensation werden, ansonsten könnte Jobs sein Ziel nicht erreichen. Was dann im Sommer 1988 präsentiert wurde, war tatsächlich gewaltig: Technisch war der NeXTcube den bisherigen PCs und auch dem Mac deutlich überlegen, das Design war ebenfalls einmalig. Eine der Weltneuheiten war beispielsweise das von Canon entwickelte optisches Laufwerk, das deutlich schneller arbeitete als eine CD-ROM. Das Medieninteresse war riesig und NeXT kündigte an, den Computer ausschliesslich an Universitäten und Colleges zu verkaufen. 6500 US-Dollar sollte ein Gerät für Studenten kosten, die Version mit Laserdrucker und 17-Zoll-Bildschirm über 10'000 Dollar. Doch Jobs hatte sich verspekuliert. Er hatte gezeigt, dass es clever von ihm war, damals John Sculley zu Apple zu holen. Denn der geborene Geschäftsmann war Steve Jobs nicht. Zwar waren sich Experten und Fans einig, dass der NeXTcube der beste Computer der Welt war, doch kaufen wollte ihn niemand. Den Studenten war er viel zu teuer und für eine Workstation war er zu wenig leistungsfähig. Gleichzeitig stattete Sun Microsystems viele Universitäten gratis mit leistungsfähigen Workstations aus, sodass keine Nachfrage nach einem 10'000-Dollar-PC bestand.
Steve Jobs (links) und John Sculley waren zuerst erfolgreiche Partner, doch die Probleme kamen rasch (Bild: MacPrime)

Die Rolle von IBM und Microsoft

Trotz des Flops galt Steve Jobs in der Branche nach wie vor als Genie und so trat IBM, damals der weltgrösste Computerhersteller, mit dem Vorschlag einer Zusammenarbeit an Jobs heran. IBM hatte aber kein Interesse am Computer, sondern an der Software NeXTStep. Diese hatte mehrere herausragende Eigenschaften, wobei der vollständig objektorientierte Systemaufbau die genialste war. NeXTStep verwendete die Programmiersprache Objective-C, die ein wesentlich eleganteres Programmieren als beispielsweise C++ ermöglichte und einfacher zu erlernen war. Die Software kam auch mit dem Entwicklerwerkzeug Interface Builder daher, der es erlaubte, in kürzester Zeit Programme mit grafischer Oberfläche zu erstellen.
IBM wollte die NeXT-Software lizenzieren, um nicht mehr von Microsoft abhängig zu sein, die sich verstärkt auf ihr eigenes Betriebssystem Windows fokussierten. Obwohl Steve Jobs stets dagegen war, kam ein Deal zustande, weil die NeXT-Manager Jobs dazu drängten. IBM überwies 60 Millionen Dollar auf Jobs' Scheckbuch und erhielt dafür eine Lizenz für die erste Version von NeXTStep. Kurz darauf klopften auch Compaq und Dell an, die ebenfalls an einer Lizenzierung interessiert waren. Hätte Jobs ja gesagt, wäre NeXT wohl das nächste Microsoft geworden und die iPhones hätte es nie gegeben. Doch dazu kam es nicht. Steve Jobs wollte keine weiteren Lizenzen verkaufen, da sowohl Compaq als auch Dell forderten, dass NeXT die eigene Hardware-Produktion mit dem Deal-Abschluss einstellen müsste. Jobs aber glaubte nach wie vor an seine Hardware, auch wenn die Software, das war sonst wohl allen klar, die wirkliche Leistung seines Unternehmens war. Also lehnte Jobs die Deals ab und entschied stattdessen, einen weiteren eigenen Computer zu entwickeln. IBM lieferte übrigens keinen einzigen PC mit NeXTStep aus, kurz nachdem Jobs die beiden anderen Deals ablehnte, erkannte «Big Blue», dass das Betriebssystem keine Zukunft haben würde.

Der Beginn einer Ära

Für Jobs war der Traum vom erfolgreichen eigenen Computer in den Folgejahren unerfüllbarer als je zuvor. Obwohl er Millionen seines Privatvermögens investierte, interessierte sich kaum jemand für seine Rechner. Sogar die ihm so lange gnädig gestimmten Medien begannen, sich von Jobs abzuwenden. Im Februar 1993 tat Jobs etwas, das für ihn sehr untypisch war: Er gab zu, einen Fehler gemacht zu haben. Er liess die NeXT-Fabrik und sämtliche Hardware-Abteilungen schliessen, worauf 280 Mitarbeiter den Job verloren. NeXT sollte fortan eine Software-Firma sein. Der Schritt zahlte sich aus, bereits 1994 konnte man erstmals in der Unternehmensgeschichte Gewinn erwirtschaften. Sun investierte 10 Millionen Dollar, NeXTSystems etablierte sich als plattformunabhängiges Betriebssystem.
Die NeXT-Fabrik war riesig, kaum einer der hier gefertigten Computer wurde aber verkauft. Die Fabrik wurde 1993 geschlossen (Bild: MacPrime)
Derweil ging es in Cupertino weit weniger beschaulich zu. Der Mac war technisch völlig veraltet, Neuerungen gab es bei Apple kaum mehr. Die Firma stand, so wurde gemunkelt, kurz vor dem Bankrott. Als Steve Jobs davon Wind bekam, nutzte er die Chance und bot seine Software zum Verkauf an. Er verlangte 430 Millionen Dollar von Apple, eine natürlich völlig überrissene Summe, die zeigt, wie verzweifelt Apple war, als man dennoch einschlug. Am 20. Dezember 1996 kaufte also Apple NeXT, das fortan zur Grundlage aller künftigen Apple-Betriebssysteme und damit Basis für den einzigartigen Erfolg wurde, der noch heute andauert. Mit dem Deal trat auch Steve Jobs ins Unternehmen ein. Zuerst als Berater, übernahm er 1997 die operative Leitung des Unternehmens und gab sie bis 2011 nicht mehr ab. Wenige Monate später verstarb er an den Folgen einer Krebserkrankung. Der Nachwelt hinterlässt Steve Jobs eines der erfolgreichsten Unternehmen der Welt, einen einzigartigen Führungsstil und technische Innovationen wie den iPod oder das iPad. Ohne NeXT hätte es nichts davon gegeben.
* Dieser Artikel wurde mit Material von Macprime.ch geschrieben.
Wir haben die letzten 20 Jahre Apple Revue passieren lassen. Schauen auch Sie zurück – in unserer Bildergalerie (Bilder: Wikipedia).

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Kurz darauf folgte das PowerBook 1400


Fabian Vogt
Autor(in) Fabian Vogt




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